Startschuss für das Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie
Das Rheinische Revier steht durch den Kohleausstieg vor einem tiefgreifenden Wandel. Speziell auf die Energiewirtschaft und die energieintensive Industrie kommen große Herausforderungen zu. Das Ende der Kohleverstromung, die Kopplung verschiedener Sektoren (z. B. Elektrizität, Wärme, Mobilität…) und die damit verbundene Digitalisierung stellen die Unternehmen vor veränderte Markt- und Rahmenbedingungen. Um diesen Wandel zu meistern und als Zukunftschance zu gestalten, fördern der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen den Aufbau des »Fraunhofer-Zentrums Digitale Energie«. Ziel ist es, Grundlagen für technisch zuverlässige, vor Hackerangriffen sichere und wirtschaftlich attraktive digitalisierte Energieinfrastrukturen im Rheinischen Revier zu legen und in den Betrieb zu überführen. Das Zentrum wird vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT (Prof. Stefan Decker und Prof. Matthias Jarke) gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE (Prof. Peter Martini) sowie den Instituten IAEW (Prof. Albert Moser) und E.ON ACS (Prof. Antonello Monti) der Energietechnik an der RWTH Aachen aufgebaut.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert in einer ersten Phase im Rahmen eines Sofortprogramms das »Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie« mit 5,1 Mio. €. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMBF Thomas Rachel, MdB, übergab im Beisein der Leiterin Stabsstelle Rheinisches Revier im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) Alexandra Landsberg, des Oberbürgermeisters der Stadt Aachen Marcel Philipp sowie des Rektors der RWTH Aachen Prof. Ulrich Rüdiger und Prof. Ralf Wehrspohn, Vorstandsmitglied der Fraunhofer-Gesellschaft, die offiziellen Förderbescheide im Rahmen einer Pressekonferenz stellvertretend für das »Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie« an Prof. Stefan Decker und Prof. Matthias Jarke.
Ministerpräsident Armin Laschet hob in einer Video-Botschaft die Einmaligkeit und Bedeutung für die Region hervor: »Mit dem Aufbau des Fraunhofer-Zentrums Digitale Energie in Aachen entstehen rund 100 tarifgebundene Arbeitsplätze. Das ist nicht nur für die Region eine gute Nachricht, sondern auch für das Innovations-und Energieland Nordrhein-Westfalen.« Laschet weiter: »Nordrhein-Westfalen ist Vorreiterland bei der Energiewende. Wir brauchen solche zukunftsfähigen Lösungen wie das Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie: Die Kombination aus innovativer Spitzenforschung, qualifizierten Fachkräften und einem direkten Forschungstransfer in praktische Anwendung erzeugt einen enormen Standortvorteil für das Rheinische Revier. Das Zentrum hat großes Potenzial, dem Ziel einer europäischen Modellregion für sichere und nachhaltige Energieversorgung näherzukommen.«
Bündelung von Expertise und einzigartige Praxisnähe
Laut Prof. Matthias Jarke bündelt das »Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie« die Expertise von renommierten RWTH-Lehrstühlen der Energietechnik und Informatik (RWTH Aachen) mit tiefem Wissen über Digitalisierung und deren Finanzmanagement (Fraunhofer FIT) sowie IT-Sicherheit (Fraunhofer FKIE). Das Zentrum adressiere gezielt drei Säulen: »Forschung und Entwicklung« neuer Technologien und Geschäftsmodelle, »Aus- und Weiterbildung« zur Gewinnung qualifizierten Personals sowie »Testen und Prüfen« zur Sicherstellung der Integrierbarkeit von Forschungsergebnissen in Produkte und Dienstleistungen.
Prof. Stefan Decker betonte, dass durch die Integration eines unabhängigen 10.000 Volt-Verteilnetzes die Entwicklung von IT-Sicherheits- oder Digitaltechnologien für zukünftig digitalisierte Energieversorgungssysteme im realen System beherrschbar gestaltet und getestet werden könne. Dies wäre direkt innerhalb der kritischen Infrastrukturen der Energieversorgung nicht möglich. Somit schafft das Fraunhofer-Zentrum eine in seiner Art einmalige Praxisnähe bei Forschung, Entwicklung und Ausbildung.
Erstmaßnahme für erfolgreichen Strukturwandel
Das »Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie« wurde als eine Erstmaßnahme für den Einstieg in einen erfolgreichen Strukturwandel im Rheinischen Revier ausgewählt. Die Mittel dienen der Anschubfinanzierung eines Neubauvorhabens in Form von Planungs- und Vorbereitungsaufgaben, ersten Investitionen in technische Ausstattung sowie der Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen. Des Weiteren ist das »Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie« als priorisierte Maßnahme des Bundes namentlich in das Strukturstärkungsgesetz integriert, wodurch die Weichen für die spätere Ausfinanzierung einer Infrastruktur zur Unterbringung von mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestellt sind.
Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel betonte bei der feierlichen Übergabe der Förderbescheide: »Die Digitalisierung ist ein zentraler Enabler für eine erfolgreiche Energiewende. Mit dem Fraunhofer-Zentrum für Digitale Energie helfen wir unseren Unternehmen dabei, innovative Technologien und neue Geschäftsmodelle aufzubauen sowie qualifiziertes Personal zu erschließen. Indem es Wissenschaft und Wirtschaft in anwendungsnahen Forschungsfeldern zusammenbringt, wird das Zentrum in die ganze Region ausstrahlen. Damit leistet die Förderung einen wichtigen Beitrag, um den Strukturwandel im Rheinischen Revier hin zu einer Energieregion der Zukunft zu einer echten Erfolgsgeschichte zu machen.«
Die Übergabe der Förderurkunde erfolgte unter Berücksichtigung des Kontaktverbots digital. Dazu wurde eine Blockchain-basierte Lösung genutzt, die auch schon zur Ausfertigung und fälschungssicheren Verwaltung von Ausbildungszertifikaten von der Fraunhofer Academy genutzt wird. Zur Übergabe signierte Herr Rachel elektronisch die Urkunde und übersandte diese in einer Transaktion an Prof. Decker.
Anziehungskraft für Fach- und Nachwuchskräfte
Für den Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp bietet das Vorhaben alle Voraussetzungen, um eine Sogwirkung für das Rheinische Revier im Bereich der Fach- und Nachwuchskräfteentwicklung herzustellen: »Durch seine attraktiven, zukunftssicheren Studienangebote adressiert das Fraunhofer-Zentrum über sein Weiterbildungsprogramm die qualifikatorische Neuausrichtung von Beschäftigten in der Region. Es begegnet den Themen Fachkräftemangel und Binnenwanderungssaldo und bietet Bürgern und Wirtschaft langfristige, attraktive Perspektiven.«
Prof. Ralf Wehrspohn, Mitglied des Fraunhofer-Vorstands, sagte: »Der Startschuss für das Fraunhofer-Zentrum Digitale Energie wird einen wichtigen Beitrag zum innovationsorientierten Strukturwandel im Rheinischen Revier leisten und ist ein klares Signal in Richtung zukunftsfähige Wertschöpfung. Das neue Zentrum schafft eine weitere wichtige Brücke zwischen Forschung und Anwendung und wird als Katalysator für Innovationen die regionale Wirtschaft stärken.«
Auch RWTH-Rektor Prof. Ulrich Rüdiger begrüßte den Aufbau des Fraunhofer-Zentrums in Aachen ausdrücklich und unterstrich die Wichtigkeit der Maßnahme für die Region und darüber hinaus. Die Kombination aus Förderung einer eigenen, abgesicherten Gebäudeinfrastruktur aus Kohlekommissionsmitteln mit der nachhaltigen Bündelung der Stärken von Fraunhofer und der RWTH schaffe einen europaweit einmaligen und sofort einsatzfähigen Forschungs-, Erprobungs- und Ausbildungsleuchtturm.
Die Pressekonferenz wurde vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie unter strenger Berücksichtigung der Vorgaben des Infektionsschutzes durchgeführt. Die Eröffnungsreden aller Teilnehmenden wurden in einer Großraumlaborumgebung aufgezeichnet. Am Mittwoch, 29. April 2020, 15:00 Uhr, wird auf dieser Seite auch ein Video-Podcast einer Expertendiskussion veröffentlicht, in der Zentrumsforscher aus Energietechnik, IT-Sicherheit und Wirtschaftsinformatik sich mit Industrievertretern und dem Revierknotenleiter Energie des Rheinischen Reviers über konkrete Kooperationserfahrungen, Chancen und Herausforderungen austauschen.